Aktuelle und künftige Rolle des Energiegiganten Russland Drucken
Geschrieben von: Florian Schmittner   
Mittwoch, den 19. November 2014 um 12:00 Uhr

Bozen, Südtirol/Italien (pts011/19.11.2014/12:00) - Im Vorfeld der Klimaenergy 2015 (26.-28.3. 2015 in Bozen) http://www.klima-energy.it/de erscheint auf der Webseite eine Artikel-Serie zu relevanten Energiethemen und zur Zukunft der Energie. Im Folgenden ist ein Artikel der Energie-Expertin Monika Psenner nachzulesen, in dem sie sich eingehend mit dem Energiegiganten Russland befasst. Weitere Artikel der Serie finden sich auf der Webseite der Klimaenergy 2015.

Russland spielt auf den globalen Energiemärkten eine dominante Rolle. Seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise ist Russlands Bedeutung als Energielieferant für Europa besonders präsent geworden. Wie wichtig ist Russlands Gas und Erdöl für Europa und welchen Stellenwert nimmt Russland im weltweiten Energieangebot ein? Gibt es Alternativen für Europas Abhängigkeit von russischem Gas?

Gigantische Erdöl-, Gas- und Kohlebestände

Russland, das flächenmäßig größte Land der Welt, verfügt über riesige Erdöl-, Gas- und Kohlevorkommen. Die Erdöl- und Gas-Vorkommen befinden sich in den verschiedenen Regionen des riesigen Landes: im Ural/Wolga-Gebiet im Westen, im Nordwesten, im Nord-Kaukasus, in Westsibirien, in Ostsibirien und im Fernen Osten. Nicht zuletzt werden auch riesige Erdöl- und Gasvorkommen in den Arktischen Regionen Russlands vermutet, wobei die Exploration erst am Anfang steht. Derzeit konzentriert sich die Erdöl- und Gasförderung hauptsächlich auf Westsibirien und die Ural/Wolga-Region. Das rasante Wachstum der Asiatischen Märkte und die damit verbundene steigende Energienachfrage sowie die Anwendung neuer Technologien werden mittel- und längerfristig dazu führen, dass die Erdöl-und Gasförderung in Ostsibirien, im Fernen Osten Russlands sowie in den Arktischen Regionen stark ansteigen wird. Russland verfügt auch über große Schiefergas- und Schieferölvorkommen, deren Förderung noch gar nicht begonnen hat.

Russland verfügt weltweit über die zweitgrößten Gas- und Kohlevorkommen und rangiert bei Erdöl auf Platz 8. Wenn es gelingt die Erdöl- und Erdgasressourcen in den Arktischen Regionen zu erschließen, könnte das Russlands Reserven noch wesentlich erhöhen. Zählt man Erdöl und Gas zusammen, so ist Russland der weltweit größte Exporteur von fossiler Energie mit einem jährlichen Exportvolumen von 7,5 Millionen Barrels Erdöl pro Tag und 230 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr.

Russlands Wirtschaft ist stark von seinen Gas- und Erdölexporten abhängig. Einnahmen aus Gas und Erdöl machen mehr als 50 % des Budgets und fast 70 % der Exporteinnahmen aus. Wegen der starken Energieexportabhängigkeit wirken sich Änderungen der Energiepreise sehr stark auf Russlands Wirtschaft aus.

Privatisierung und Verstaatlichung der Öl- und Gasindustrie

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Erdöl- und Gasindustrie privatisiert, in den darauffolgenden Jahren wurde jedoch ein großer Teil wieder verstaatlicht. Die staatliche Firma Rosneft ist die größte Erdölgesellschaft Russlands. Daneben gibt es auch private Ölfirmen wie zum Beispiel Lukoil und Novatek. Die staatliche Firma GAZPROM dominiert die Gasindustrie und produziert circa 75 % vom russischen Gas. Sie hat auch ein Monopol auf die Gasexporte. Die Regierung plant den Gasmarkt schrittweise zu liberalisieren, vor allem was den Export von LNG betrifft. Für ausländische Firmen gestaltet sich eine Zusammenarbeit mit russischen Firmen oft sehr schwierig. Eine wichtige Kooperation besteht zwischen Rosneft und ExxonMobil zur Erschließung der Öl- und Gasvorkommen im Arktischen Bereich der Barentssee. Rosneft verfügt nicht über die notwendigen Technologien, um Erdöl und Gas in der Arktischen Region zu fördern und ist deshalb auf das Knowhow ausländischer Firmen angewiesen.

Über die Hälfte von Russlands Energieverbrauch wird durch Gas abgedeckt, 22 % durch Erdöl, 13 % durch Kohle und je 6 % durch Wasserkraft und Atomenergie. Im Unterschied zu anderen Regionen und Ländern der Welt machen erneuerbare Energien mit 0,1 % einen unbedeutenden Teil aus.

Wegen der billigen Energiepreise für Unternehmen und private Konsumenten wurde in der Vergangenheit einerseits kein Anreiz gegeben die Energieeffizienz zu steigern und andererseits erneuerbare Energien als Alternative zu fossilen Energien zu fördern. Die Energiepreise werden nach und nach angehoben, weshalb es jetzt Bestrebungen bei den Konsumenten gibt, die Energieeffizienz zu steigern und auch in erneuerbare Energien zu investieren. Durch diese Einsparung stünde in Zukunft mehr Erdöl und Gas für den Export zur Verfügung. Laut Angaben des russischen Energieministeriums besteht bis 2020 ein enormes Einsparungspotential im Umfang von ungefähr 40 % bis 50 % des Primärenergieverbrauchs des Jahres 2010.

Zweitgrößter Erdölproduzent der Welt

Russland produzierte im Jahre 2013 13 % des weltweiten Erdöls und war nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Erdölproduzent. Mit einem Anteil von 18 % an der weltweiten Gasproduktion ist Russland nach den USA auch der zweitgrößte Gasproduzent. Obwohl Russland auch über sehr große Kohlevorkommen verfügt, produziert es nur geringe Mengen an Kohle, 4,3 % der weltweiten Kohleproduktion. Die Exportkapazitäten von Erdöl, aber besonders von Gas machen Russland zu einem überaus wichtigen "Player" auf den Weltenergiemärkten.

Mit 225,5 Milliarden Kubik Meter oder einem Anteil von 22 % am weltweiten Gasexport im Jahre 2013 ist Russland bei weitem der größte Gasexporteur der Welt. Der nächstgrößte Gasexporteur ist Katar mit einem Anteil von 12 %. Ungefähr 60 % des russischen Gasexports wurden im Jahre 2013 über Pipelines nach Ost- und Westeuropa geliefert, während 22 % in die Ukraine, nach Weißrussland und in andere CIS -Länder und 12 % an die Türkei geliefert wurden. Lediglich 6 % wurden als LNG nach Japan, Südkorea und Taiwan geliefert, da Russland nur über eine Gas-Verflüssigungsanlage auf der Insel Sachalin im Fernen Osten verfügt. Um in Zukunft den LNG-Handel auszuweiten, sind weitere LNG-Anlagen geplant, zum Beispiel auf der Jamal-Halbinsel in Westsibirien und in Wladiwostok im Fernen Osten.

Aus der geographischen Gegebenheit heraus ist es naheliegend, dass Ost- und Westeuropa und die CIS-Länder die natürlichen Abnehmer von russischem Gas sind, da vor allem auch ein entsprechendes Pipeline-Netzwerk, das über Jahre gewachsen ist, zur Verfügung steht. Ein Großteil der russischen Gaslieferungen nach Europa durchquert die Ukraine, welche somit ein wichtiges Transitland für russisches Gas nach Europa ist. Für jene Länder, die einen großen Teil ihrer Gasnachfrage von Russland beziehen, kann diese starke Abhängigkeit riskant werden, wie sich bereits in den Jahren 2005/2006 und 2007/2008 gezeigt hat, als es zwischen der Ukraine und Russland zu Gaspreisstreitigkeiten kam.

"South Stream" auf Eis gelegt

Die gegenwärtige Ukraine-Krise hat zu einer weiteren Eskalation geführt. Russland ist sehr daran interessiert die geplante "South Stream"-Gaspipeline zu bauen, die durch das Schwarze Meer und über den Balkan Gas nach Europa liefern und so keinen Transit durch die Ukraine benötigen würde. Die EU hat vorläufig das Projekt "South Stream" auf Eis gelegt. Der Bau dieser Pipeline ist allerdings schon sehr weit fortgeschritten und es wäre wohl im Sinne der EU und Russlands das Projekt zu Ende zu führen.

Es zeigt sich ein sehr unterschiedliches Bild bezüglich der Abhängigkeit der europäischen Länder von den russischen Gasimporten. Länder wie Finnland, die Slowakei und Ungarn sind zu 100 % von russischen Gasimporten abhängig, während Irland, Spanien und Großbritannien kein Gas aus Russland importieren. Polen, Griechenland und Österreich beziehen drei Viertel oder mehr ihrer Gasimporte aus Russland. Im Durchschnitt bezog Europa im Jahre 2013 36 % der Gasimporte aus Russland.

Welche Alternativen zu russischem Gas gibt es für Europa, sollte es im kommenden Winter als Folge der Ukraine-Krise zu Lieferengpässen kommen? Auf den Weltmärkten gibt es gegenwärtig ein genügend großes Gasangebot. Europa könnte LNG (Flüssiggas) aus diversen Ländern beziehen, allerdings zu einem wesentlich höheren Preis . Die Gasspeicher sind laut Berichten der Europäischen Länder gefüllt und würden so kurzfristige Lieferstopps auffangen. Da die russische Wirtschaft extrem stark von den Energieexporten abhängig ist, scheint es eher unwahrscheinlich, dass Russland die Gaslieferungen nach Europa stoppt. Längerfristig gesehen wird die Ukraine-Krise vermutlich dazu führen, dass Europa seine Gasimporte stärker diversifiziert.

Länder mit entsprechendem Exportpotential gäbe es genug, vorausgesetzt die entsprechenden Infrastrukturprojekte werden errichtet: einerseits der Bau von Pipelines und andererseits Gasverflüssigungsanlagen in den Gasexportländern und die dazu erforderlichen LNG-Terminals in den Importländern. Katar, Iran und Aserbaidschan verfügen über enorme Gasreserven und wären in der Lage einen bedeutenden Beitrag zu Europas Gasnachfrage zu leisten. Auch Nigeria verfügt über große Gasreserven und seit die USA kaum noch Gas importieren, sucht Nigeria nach neuen Abnehmern. Während der Bau von Pipelines mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde, könnten LNG-Lieferungen kurzfristig per Schiff erfolgen, vorausgesetzt die Gasverflüssigungsanlagen und die entsprechend LNG Terminals in den Importländern sind vorhanden.

Europa der Kernmarkt für russisches Erdöl

Europa ist auch für russisches Erdöl der wichtigste Markt. Deutschland ist der größte Importeur von russischem Erdöl, gefolgt von den Niederlanden und China. Im Unterschied zu Gas, gibt es bei den Erdölimporten eine viel stärkere Diversifikation bezüglich der Importländer und deshalb keine starke Abhängigkeit. Zudem ist es bei Erdöl wesentlich leichter auf andere Exportländer auszuweichen, da der Erdölhandel viel flexibler ist, zumal er nicht auf Pipelines oder spezielle LNG-Tanker angewiesen ist.

Trotz geopolitischer Differenzen infolge der Ukraine-Krise wird Russland auch in Zukunft für Europa ein wichtiger Erdöl- und Gaslieferant bleiben. So begannen die russische staatliche Erdölgesellschaft Rosneft und der amerikanische Ölmulti ExxonMobil im August 2014 trotz Sanktionen gemeinsame Probebohrungen in der Karasee im Nordpolarmeer. Ob die neuen verschärften Sanktionen dieses Projekt tatsächlich stoppen werden, bleibt abzuwarten.

Die Vorteile für Europa und Russland, vor allem wegen der geographischen Nähe und der über Jahrzehnte aufgebauten guten Beziehungen sind zu groß und die Handelsbeziehungen zu eng verflochten, als dass sie von geopolitischen Auseinandersetzungen dauerhaft geschädigt werden können. Als eine logische Folge der Ukraine-Krise wird Russland versuchen neben Europa neue Märkte zu erschließen, wie sich bereits gezeigt hat (kürzlich abgeschlossener Gasliefervertrag mit China), und Europa wird sich bemühen, seine Gasimport-Abhängigkeit von Russland zu verringern.

(Ende)

Aussender: FIERA BOLZANO SPA - MESSE BOZEN AG
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[ Quelle: http://www.pressetext.com/news/20141119011 ]

Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 19. November 2014 um 12:00 Uhr
 
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